Univela Trophy 2021 in Campione del Garda

Sie war überall bei den Seglern zu spüren: Die riesige Freude und Erleichterung darüber, nach zwei entbehrungsreichen Corona-Saisons endlich wieder einen halbwegs normalen internationalen Regattabetrieb aufnehmen zu können. 55 Boote aus 9 Ländern hatten zur Univela Trophy in Campione gemeldet, davon 46 Foiler und 9 Classics. Die Regatta entpuppte sich damit als größte A-Cat-Regatta, die im Jahr 2021 weltweit ausgetragen werden konnte. Das Univela-Team war zunächst besorgt, ob es so viele Boote auf dem nicht allzu großen Clubgelände unterbringen konnte. Doch die Herausforderung wurde gut gemeistert. Selbst das An- und Ablegen an der etwas heiklen Sliprampe klappte letztlich problemlos.

Nicht nur die Zahl der Teilnehmer, auch die Qualität des Feldes war beeindruckend. Außer den spanischen, dänischen und britischen Cracks waren eigentlich alle europäischen Topsegler am Start, einschließlich des amtierenden Weltmeisters Mischa Heemskerk aus den Niederlanden. Die große Frage war: Konnte der Pole Jakub „Kuba“ Surowiec auf seinem Exploder erneut das Duell gegen Mischa mit seinem DNA gewinnen, so wie erst vor einigen Wochen bei der niederländischen Meisterschaft? Kuba hat eine extrem erfolgreiche Saison hinter sich, er ist unter anderem deutscher und polnischer Meister geworden und derzeit das Maß der Dinge bei den europäischen A-Cat-Seglern. Er ist rund 20 Jahre jünger als Mischa und deutlich leichter, was ihn aber nicht an einer herausragenden Performance bei Starkwind hindert. Zudem segelt er das ganze Jahr über professionell, während Mischa inzwischen anderen beruflichen Verpflichtungen nachgehen muss.

Jakub „Kuba“ Surowiec

Um es kurz zu machen: Kuba segelte auch am Gardasee wie ein junger Gott. Fünf Laufsiege und ein zweiter Platz als Streicher sprechen eine deutliche Sprache. Mischa war allerdings der einzige, der ihm halbwegs Paroli bieten konnte. Er und Kuba segelten meist weit vor dem Hauptfeld, was sie vor allem ihrem exzellenten Bootspeed beim Am-Wind-Foilen verdankten. Zwar vermochte auch ein gutes Dutzend weiterer Segler am Wind zu foilen, doch so elegant und zugleich effizient wie Kuba und Mischa beherrscht es derzeit niemand sonst. An den Booten liegt es eher nicht: Die gesamte vordere Hälfte des Feldes trat mit aktuellem Topmaterial an. Es geht derzeit in erster Linie nur ums Feintuning der Foils und der Ruderverstellung – und um die entscheidenden Nuancen beim Bootshandling.

Taktisch ist der Gardasee bei Campione recht simpel: Wer zuerst an der Felswand ist, liegt in 90 Prozent aller Fälle an der Luvtonne vorne. Mischa und Kuba starteten immer nahe des Startschiffes und zählten in jeder Wettfahrt zu den ersten, die umlegen konnten. Schwierig gestaltete sich allerdings das Finden der Luvtonne. Univela setzt kleine Robotertonnen ein, die per GPS und kleinen Propellerantrieben am gewünschten Ort platziert werden können. Eine tolle Sache angesichts gewaltigen Wassertiefen am Gardasee, doch die Sichtbarkeit der Bojen ist miserabel. Die Layline hat kaum ein Segler je richtig getroffen. Wechselnde Windstärken der Ora zwischen vier und 18 Knoten machten es zudem erforderlich, schnell zwischen den verschiedenen Modi des A-Cat-Segelns umzuschalten. Insgesamt aber lieferte der Gardasee, was sich alle erhofft hatten: Tolle Segelbedingungen in einer grandiosen Bergkulisse.

Bei der zahlenmäßig kleinen, aber seglerisch starken Classic-Flotte vollzog sich ebenfalls ein Generationswechsel. Der erst 19-jährige Moritz Weis vom Schluchsee konnte bei gleich seiner ersten ‚richtigen‘ A-Cat-Regatta den Sieg vor Altmeister Micky Todd erringen.

Moritz Weis

Moritz segelte nicht nur taktisch sehr überlegt und risikoarm, sondern überzeugte vor allem durch herausragende Bootsgeschwindigkeit. Mit seinem nagelneuen Exploder AD3 mit C-Schwertern, großen Ruderfoils und Decksweeper-Segel ist er kaum zu schlagen, sobald mehr als 6 Knoten Wind weht.

An Land wurde wie gewohnt viel über die kommenden Entwicklungsschritte des A-Cats diskutiert. PJ Dwarshuis präsentierte ein Rigg mit zwei Salingspaaren; durch verstellbare Oberwanten kann er den Mast im Skiff-Style vorbiegen und das Segel brettflach trimmen. „Das bringt aber nichts, außer beim Abreiten eines Sturmes“, räumte er selbst ein. Mehr Potential sehen die Technik-Freaks in aufblasbaren Wing-Segeln, in elektrischen Verstellsystemen für die Foils oder sogar in einer mittschiffs angeordneten, aerodynamisch perfekt verkleideten Kanzel für die Segler. Wenn die luvwärtigen Foils genug aufrichtendes Moment erzeugen, braucht es kein Trapez mehr, so die Annahme. Doch bis solch verwegene Ideen umgesetzt werden, bedarf es noch so mancher Regeländerung.

Im kommenden Jahr wird die Europameisterschaft ebenfalls Ende September am Gardasee stattfinden, ausgerichtet wird sie vom Club in Arco und der deutschen Klassenvereinigung. Es freuen sich schon jetzt alle Segler darauf. Ob dann auch die australischen und amerikanischen Top Guns kommen können? Möge das Corona-Virus es nicht verhindern.

Christian Stock (GER 100)

Event-Webseite mit Ergebnissen und Fotos: https://www.campioneunivela.it/en/regattas/2021/univela-trophy-a-cat/

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