Bericht Schweizer Meisterschaft 2025
Schweizer Meisterschaft 2025 der A-Cat in Dongo / Comer See

Segeln ist ein Sport, bei dem man sehr viele Fähigkeiten braucht: Körperliche Fitness, Agilität, Ausdauer, technisches Verständnis, Regelkunde, meteorologische Kenntnisse, strategisches Denken und vieles mehr. Es gibt aber noch zwei weitere Schlüsselqualifikationen, und die waren diesmal bei der Schweizer Meiserschaft der A-Cat in Dongo am wunderschönen Comer See vor allem gefragt: Geduld und Frustrationstoleranz.
Grund dafür war eine schwierige Großwetterlage mit vielen Wolken, teilweise Regen und einer beständigen Nordströmung. Der übliche Thermikwind aus Süd, am Comer See „Breva“ genannt, bildete sich gar nicht oder nur schwach aus. Lediglich am Trainingstag vor der Regatta kam eine kräftige Breva mit bis zu 18 Knoten Windgeschwindigkeit auf, die viele Segler zu beglückenden Ritten mit ihren heißen Rennmaschinen nutzten.
42 Segler und zwei Seglerinnen aus sechs Ländern hatten sich zur Meisterschaft im Marvelia-Club in Dongo am Westufer des Comer Sees eingefunden. Das Clubgelände ist beengt, die Slipanlage liegt an einer öffentlichen Promenade mit Autoverkehr und Chaos ist jederzeit vorprogrammiert. Aber wie so oft in Italien: Irgendwie klappt doch immer alles. Zumal der Staff bei Marvelia immer bestens gelaunt ist und – bei Flaute ganz wichtig – die Bar jederzeit leckere, gut gekühlte Getränke liefert. Socialising wird in diesem Club ganz groß geschrieben, und das ist auch gut so.
Am ersten Regattatag herrschte ganztägig Flaute, und so konnte man mit seinen europäischen Freunden ausgiebig über dieses und jenes ratschen. Beispielsweise über das Rodrigging an den Wanten und Vorstagen von Lamberto Cesaris Boot: 1,8mm Durchmesser hat es laut seiner Aussage. Sieht extrem gut und schnell aus, aber auch gefährlich… bei einem Nosedive möchte man nicht in engen Kontakt geraten. Ein anderes Thema war der neue Mast von Vladislav Ptasnik: Seine Carbon-Firma CompTech hat einen Mast entwickelt, den Vladi gerade an seinem Boot testet. Der Mast besteht aus High Modulus Carbon, ist etwas breiter und kürzer als andere Masten und hat dadurch weniger Fläche. Er soll folgenden Vorteil haben: Große seitliche Steifigkeit bei einem ähnlichen achterlichen Biegeverhalten wie ein üblicher A-Cat-Mast sowie eine Gewichtsersparnis von zwei Kilogramm. Die Mastnut wird im 3D-Drucker angefertigt und dann aufgeklebt. Noch war das Finish des Mastes nicht perfekt, aber wer Produkte von CompoTech kennt, weiß, dass die das schon hinbekommen.
Abends sorgte dann eine Lotterie der Schweizer Klassenvereinigung für gute Stimmung. Erster Preis waren zwei Tickets für das SailGP-Event am Genfer See am kommenden Wochenende. A propos Geduld: Auch beim zeitgleich stattfindenden SailGP-Event in Saint Tropez musste der zweite Renntag abgesagt werden, dort allerdings wegen zu viel Wind. Irgendwas ist immer…


Am zweiten Tag der Schweizer Meisterschaft wurden die Segler dann mittags endlich aufs Wasser geschickt. Erst wehte nördlicher Wind, allerdings nicht in einer Stärke, die eine reguläre Wettfahrt ermöglicht hätte. So blieb nur warten auf die Breva, die sehr spät und ebenfalls schwach einsetzte. Wie war das nochmal mit der Geduld und der Frustrationstoleranz? Immerhin konnte ein abgekürztes Rennen mit Zieleinlauf am letzten Luvgate gefinisht werden. Bei den Open zeigte Lamberto Cesari (ITA 13), dass meisterschaftswürdige Segler das volle Programm draufhaben und eben auch bei Leichtwind schnell sein müssen. Eine Fähigkeit, die Lamberto mit den beiden Weltmeistern Kuba Surowic und Ravi Parent gemein hat – weshalb er inzwischen auf Augenhöhe mit diesen beiden Champs segelt. Bei den Classics ließ King George vom Ammersee alias Georg Reutter den anderen Konkurrenten dank überragender Bootsgeschwindigkeit keine Chance.
Am dritten Renntag, dem Sonntag, standen dann alle unter Druck. Um eine gültige Meisterschaft zu erzielen, mussten einerseits drei Rennen gesegelt werden. Andererseits stand vielen Teilnehmern eine weite Heimreise bevor, denn am Montagmorgen rief die Lohnarbeit. Nein, nicht alle A-Cat-Segler sind bereits in Pension 😉 So wurden die Segler bereits für einen ersten Start um 10 Uhr bei Nordwind aufs Wasser geschickt. Wie sich zeigte, war das leider schon zu spät, denn der eigentlich ganz schöne Nordwind nahm beständig ab, und so konnte nur eine Leichtwind-Wettfahrt abgewickelt werden.
Angesichts des inzwischen sonnigen und wunderschönen blauen Himmels gingen alle davon aus, dass sich nun eine prächtige Breva entwickelt. Aber nachdem der Nordwind eingeschlafen war, passierte fast zwei Stunden lang gar nichts. Die Segler trieben in der Flaute umher, einige zogen den Neoprenanzug aus und zeigten nackte Haut, manche machten ein kleines Schläfchen oder genossen die schöne Landschaft. Die Uhr aber lief unerbittlich und stellt einmal mehr die Geduld der Segler auf die Probe.

Irgendwann hatte die Breva ein Einsehen und regte sich. In der folgenden Wettfahrt wehte sie mit rund acht Knoten, in manchen Windfeldern auch mehr. Die Foiler konnten endlich foilen und die Classics downwind im Trapez fahren. In der dritten und letzten Wettfahrt an diesem langen Tag ließ die Breva schon wieder etwas nach und drehte unüblicherweise stark nach links. Wer das rechtzeitig erkannte, konnte viele Meter gut machen.
Nach insgesamt vier Wettfahrten standen dann würdige Gewinner fest: Bei den Open ließ Lamberto Cesari mit vier ersten Plätzen den anderen Teilnehmer keine Chance, ihm gefährlich zu werden. Er ist einer der weltweit ganz wenigen exklusiven Teilnehmer der Topliga bei den Open, die den anderen ganze Runden abnehmen können. Schweizer Meister wurde auf Platz zwei der Tessiner Segeltrainer Riccardo Guilani, der vor allem bei mehr Wind sehr schnell ist. Benjamin Oudot von der zahlreich vertretenen Segel-Gang in Bevaix am Neuenburger See errang den dritten Platz.
Bei den Classics machte Regattagewinner Georg Reutter es spannender als Lamberto: Er ließ die vierte Wettfahrt aus, um sich rechtzeitig auf den weiten Heimweg machen zu können. Damit hätte der zweitplatzierte Christian Stock die Chance gehabt, mit einem ersten Platz in dieser Wettfahrt ganz nach vorne zu kommen. Doch stattdessen war bei ihm Frustrationstoleranz gefragt: Kurz vor dem Start verabschiedete sich der Augbügel am Travellerblock, die Notreparatur mit einem Dyneemastropp ließ dann keine vernünftige Bedienung des Großsegels mehr zu. So blieb es dann beim zweiten Platz. Schweizer Meister wurde mit Platz drei Mathieu Verrier vom Genfer See. Er ist bei stärkerem Wind dank seines nur acht Meter hohen Riggs außerordentlich schnell und hat zudem in jüngster Zeit seine Leichtwindfähigkeiten deutlich verbessert.
So machten sich dann nach der Siegerehrung mental erschöpfte, aber doch glückliche Segler auf den Heimweg. Im kommenden Jahr, lieber Comer See, darfst du dich dann aber gerne von deiner besten Seite zeigen. Nicht, dass wir noch die Geduld mit dir verlieren.
Von Christian Stock


Weitere tolle Fotos gibt es auf der Facebook-Seite von Marvelia.